Alte Straße ...
Heute gerade bin ich die Küstriner Straße lang gefahren. Ja gefahren, auf dem Heimweg nach meinem Wochenendeinkauf.
Habe am "Küstriner Wappen" angehalten, reingeschaut, ein Tonic getrunken, ein wenig mit Kai und Liane geplaudert. Robert schaute auch noch aus seiner Küche heraus und Sophie erzählte mir, dass sie sich schon sehr auf die Winterferien freut. Ich bin dort so gerne. Und ich weiß, nicht nur mir geht es so.
Zu Hause kamen mir dann wieder diese komischen Gedanken und ich fragte mich, vielleicht schon zum zwanzigsten Mal: "Was ist es, dass es Dich immer wieder in diese so fürchterlich unspektaku- läre holperige Straße zieht?"
Meine innere Stimme sagte mir dann: "Na nun tue mal nicht so, als ob eine Straße nur aus Häusern und Pflastersteinen besteht! Eine Straße sind immer die Menschen. Diese Straße bist Du und Deine Erinnerungen. Diese Straße ist Vergangenheit, Gegenwart und auch Zukunft, denn ich wette, Du wirst auch in den nächsten Monaten und Jahren hier gerne lang gehen und mal auf einen Sprung im KW einkehren, oder Dich dort mit Freunden treffen, oder einfach nur schöne Stunden dort haben."
Na, wie Recht doch meine innere Stimme hat, dachte ich mir. Im KW hängt das Cover-Bild von meinem Buch "Küstriner Straße - Kiezgeschichten" in Großformat und hinter Glas. Und immer wenn ich es sehe, fällt mir mein Gedicht "Alte Straße" ein, dass ich vor vielen Jahren schrieb, einfach nur aus einer sentimentalen Stimmung heraus. Und wenn ich ehrlich bin, war dieses Gedicht der Anfang davon, dass ich meine Schreibereien nicht mehr für mich behielt, sondern anfing Bücher zu schreiben und sie unter die Leute zu bringen.
Das Bild oben, dass mir Gerry Miller als Buchillustration gemalt hat, zeigt mein Geburtshaus in der Küstriner Straße 23a. Hinter den beiden rechten Fenstern im Erdgeschoss des vorderen Hauses bin ich vor fast 65 Jahren zur Welt gekommen. Ich finde, äußerlich hat sich hier seit dieser Zeit kaum etwas verändert. Aber eigentlich bin ich froh darüber.
Alte Straße
Du trägst noch immer Holperpflaster,
Dich ziert kein einziger Straßenbaum,
bescheiden, unauffällig - bist keine Schönheit,
ein Fremder Dich beachtet kaum.
Du warst die Straße meiner Kindheit,
die erste, die man nie vergisst -
und wenn ich meine Augen schließe,
dann seh ich, wie Du warst, nicht wie Du bist.
Ich seh dann Deine Gaslaternen,
den kleinen Mann von der Gasanstalt,
der abends ihr blaues Licht entfachte
und drauf in der Frühe löschte er's bald.
Und auf dem Hof vom alten Rudolf Sasse,
da wuchs ich ganz behütet auf.
Und so wie damals gibt's noch heute,
die Tischlerei im Zeitenlauf.
Schräg gegenüber, dort hinter den Fenstern,
da wohnte früher mein Freund Klaus,
die Drogerie Karge mit der Wäschemangel
war von dort das dritte Haus.
Nächste Ecke ging's rum zum Mühlenberg.
Dort spielte es sich immer schön.
Besonders - wenn im Winter Schnee lag,
dann konnte man dort rodeln gehen.
Und da an der besagten Ecke,
da kauften wir das Essen ein.
Bei Frau Dahmes, dann später Nickel,
ein Lebensmittelladen, klein - aber fein.
Gegenüber bei Anton Dolgener
dem Frisör oder auch Barbier,
bekam ich meine erste Dauerwelle
was war ich stolz, das sag ich hier.
Der Bäcker, dort in der alten Straße,
heißt Mahlkow - früher Vater, heute Sohn,
und noch davor war's Bäcker Lier.
Auch bei ihm gab's gute Brötchen schon.
Das nächste Haus, das ist die Kneipe
und die ist wirklich legendär,
Küstriner Wappen heißt sie heute,
berichten könnte man da viel mehr.
Denn Maxe Zech mit seiner Selli,
die war'n beliebt und stets präsent.
Und fragst Du heute Deinen Opa,
ich wette, dass er beide kennt.
Noch viele Leute müsste man nennen,
Glaser Dargatz, Bauer Kubenz, Zahnarzt Kott,
die verwurzelt sind und waren mit der Küstriner,
der alten Straße - behüt sie Gott.
Aus meinem Buch "stadtverliebt - Mein Fürstenwalde"